Verhütungsterroristen & mein Bauch gehört mir!

von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)

Respektiert Euch gegenseitig, Mädels!

Frau Doktor, welche Verhütung ist die richtige für mich?

Antwort: die, die zu Ihnen passt! Und zwar jetzt gerade!

Neulich kam eine junge Dame zu mir als neue Patientin, eine gesunde, fröhliche Studentin, die die ZVS (Zentrale Vergabestelle für Studienplätze) nach Kiel geweht hatte. Auf die Frage, was sie denn zu mir führte, begann sie zu stottern und entschuldigte sich dafür, dass die die Pille nähme. Ob sie denn Nebenwirkungen habe oder andere Probleme? Nein, es geht ihr gut und sie kommt prächtig damit klar. Ja, aber dann ist doch alles gut oder? Ja, eigentlich, aber Frau Struck, Sie haben doch da so ein Buch geschrieben... Ja und?  Das macht doch Pillen-Nutzerinnen nicht zu schlechten Menschen und gut laufende Rennpferde werden nicht gewechselt, jedenfalls nicht ohne triftigen Grund. Wenn jemand mit seiner Verhütung glücklich ist, ist das doch wunderbar. Und in erster Linie geht es doch um die Verhütung, in ihrem Fall: kein Kind im Jura-Studium.

Es häufen sich auch die Fälle, in denen junge Frauen, die problemfrei mit Hormonen verhüten, die von Freundinnen ständig mit Artikeln aus dem Internet bombardiert werden, die sich mit den Nebenwirkungen beschäftigen. Ja, Pillen sind Medikamente und können Nebenwirkungen haben. Aber nein, wer gut damit klar kommt, sollte dann die Verhütung wechseln, wenn es zur eigenen Lebenssituation und dem eigenen Körpergefühl passt. Auch die Zeiten der „Pillenpausen“ sind Göttin sei Dank zu Ende, die nicht nur oft zu ungeplanten Schwangerschaften sondern auch zu mehr Thrombosen führten.

 

FreiheitskämpferInnen oder eher Terroristen?

In ihrer Begeisterung für natürliche Verhütungsmethoden, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben, entwickeln einige Frauen geradezu missionarisch-fanatischen Eifer. Ich bin seit einiger Zeit mit einer Facebook-Seit für die Praxis aktiv und schaue mich auch in einigen Gruppen zu Gesundheits- und Verhütungsthemen um und sehe auf der einen Seite großartige Unterstützung von Frau zu Frau, aber auch oft eine sehr ruppigen Ton, gerade von Seiten einiger Vertreterinnen der „natürlichen Verhütung mit Thermometer und Körperbeobachtung“. Nur das, die einzig wahre Lehre, ist richtig, alle anderen sind verdammt! Die Kupferspirale vergiftet den Körper (Hä, wir brauchen 1-2 mg dieses Spurenelementes pro Tag, eine kleine Kupfer-Kette zum Beispiel gibt knapp 50 mg pro Jahr ab, von denen nur maximal 10% aufgenommen werden) und macht Entzündungen (nein, das war das letzte Jahrhundert, nicht nur Hüftprothesen sind besser geworden) und andere Mythen aus der grauen Vorzeit werden immer wieder ausgepackt um Frauen Angst zu machen.

Schade, NFP ist eine tolle Verhütungsmethode, die großartig ist, wenn eine Frau Lust hat, sie zu lernen und sich mit ihrem Körper zu beschäftigen. Aber manchmal tritt sie zurück hinter dem wutreichen Geschrei von Frauen, die zwar alle Regeln der natürlichen Familienplanung selbst im Tiefschlaf beherrschen, aber ansonsten von Verhütung keine Ahnung haben bzw. von ihren Vorbildern auf dem Stand von 1970 gehalten werden. Wie doof! Gerade wenn sich dann auch noch verdeckt religiöser Ursprung der Ablehnung aller anderen Methoden außer Verzicht auf Sex an den fruchtbaren Tagen mit missionarischem Eifer mischt. Professor Dr. Joseph Rötzer hat Bahnbrechendes an Erkenntnissen über den weiblichen Zyklus erforscht und zusammengetragen, aber um zu verstehen, warum einige Anhängerinnen seiner NER (Natürlichen Empfängnis-Regelung) so wütend alles andere bekämpfen, muss verstanden werden, das diese Form der Verhütung mittels Zeitwahl, ganz, ganz tief in der katholischen Glaubenslehre wurzelt. Und demnach ist jede Form der Verhütung außerhalb der temporären oder völligen Abstinenz ein „Akt der Ablehnung des Lebens“. Wenn sich jemand aus innerer und religiöser Überzeugung dafür entscheidet, bestens, die Methode funktioniert sehr sicher. Aber bitte freiwillig! Und für mich gilt: „Nein, Danke, ich bin norddeutsch, nicht katholisch und kann das Gesäusel, wie großartig es ist wenn der Mann mich respektiert und mich komplett in Ruhe lässt sobald ich in die Nähe der fruchtbaren Tage komme, echt nicht mehr hören!“

Das aber sei doch die einzig wahre Partnerschaft, nur so fänden sich zwei Seelen in wahrer Gemeinsamkeit. Na, gut, aber was ist mit der weiblichen Lust, die gerade vor dem Eisprung hochkochen kann. Was ist mit meiner Spontanität? Das Gegenargument, das doch auch Sahnekuchen viel besser schmeckt, wenn frau ihn nicht jeden Tag bekommt, zieht bei mir ebenfalls nicht. Auch das ist zyklusabhängig: vor Regel ist Schokoladen-Sahne-Torte deutlich attraktiver als direkt nach der Blutung; es gibt Zeiten im Zyklus, da ist Verzicht echt hart.

 

Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden (Rosa Luxemburg)

Daher empfehlen wir in der Praxis immer NFP nach Sensiplan, denn: keine verdeckten oder unverdeckten weltanschaulichen Botschaften, die mit untergeschoben werden. Einfachere Darstellung der Regeln, ständige Weiterentwicklung der Methode an den Universitäten Heidelberg und Düsseldorf und eine Akzeptanz gegenüber „Mix-Anwenderinnen“, das heißt Frauen, die NFP mit Kondom oder Diaphragma kombinieren. Ich selber bin von dieser Kombination begeistert, jahrelang gut damit gefahren und bin bei Weitem nicht die Einzige. Aber das muss frau wollen und sich aktiv mit sich und ihrem Körper auseinander setzen. Alles andere ist auch legitim!

 

Mind your own womb (Kümmere Dich um Deine eigene Gebärmutter)

So lautete die Überschrift eines amerikanischen Blogbeitrags vor einer Weile mit dem Tenor, jede Frau ist Expertin für ihr eigenes Leben und ihren Körper und hat zu entscheiden, wann, und wie sie Kinder bekommt oder wie sie sie verhütet. Einige Menschen haben nichts Besseres zu tun als Frauen ständig vorzuschreiben, was sie wie zu tun hätten. Ich habe mein erstes Buch nicht geschrieben, um Frauen damit zu schlagen, die die Pille nehmen, sondern darzustellen, dass es auch noch andere, sehr sichere Methoden gibt. Und ich wünsche mir, dass es nicht Verhütungsterroristinnen zur Munition gereicht. Der zweite Wunsch für heute ist, dass Frauen sich aufhören, bei mir zu entschuldigen für Entscheidungen, die sie über ihren Körper getroffen haben.

Fazit: eine der wichtigsten Aufgaben im Leben einer Frau ist es, zu lernen, das schmutzigste aller Wörter auszusprechen, das da heißt: „Nein!“ Klar zu sagen, dass sie gerne auf ihr eigenes Körpergefühl hört und sich die Einmischung in private Dinge verbietet und wenn das Gegenüber weiter meint, ihr Körper sei ein öffentlicher Ort dann wird offensichtlich wofür sie zwei Ohren bekommen hat: um auf Durchzug zu schalten.

Aus einigen FB-Gruppen bin ich wieder ausgetreten bzw. kommentiere nichts mehr, gegen Dummheit immer wieder anzuschreiben, ermüdet auch, ich schreibe lieber mal wieder einen Blog-Beitrag oder halte ein Webinar. Denn neben den Missionarinnen im Dienste des Thermometers haben wir dann auch noch mit der Ökonomisierung der Medizin zu kämpfen, was die Verhütungs-Informationen auch nicht besser macht, aber davon ein anderes Mal.

Ihnen einen wunderbaren November

Ihre Dr. Dorothee Struck

 

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Bildnachweis /Fotos: Dr. Dorothee Struck, Joachim Struck, Creative Commons oder gekauft bei Depositphotos

 

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