Stechpalme und Rauhnächte
von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)
Gedanken zu Bach-Blüten beim Weihnachts-Spaziergang
Morgengedanken am Jahresanfang

Das neue Jahr ist jung, sehr jung, gerade einmal einen Tag alt und ich finde es wunderschön. Wer außer mir hat das Morgenrot gestern am 1.Januar gesehen, der Himmel in orange-rosa Streifen, die Möwen ziehen Richtung Kanal. Mit einer Tasse dampfenden Milchkaffees in der Hand habe ich mich gestern Morgen gefreut: ich bin fasziniert, wie das Gesicht eines Neugeborenen; so viel Potential, natürlich wird es manchmal auch anstrengend, aber erstmal ein fröhliches neues Jahr!
Nun, manche Kinder sehen arg zerknittert aus, kurz nach der Geburt, andere sind nicht nur für ihre Eltern sofort atemberaubend schöne, kleine Persönlichkeiten; manchmal liegt die Schönheit auch in den Augen des Betrachters. Es wird nicht wenige Menschen gegeben haben, die den Neujahrsmorgen oder –Mittag durch verkaterte Klüsen beäugt haben und sich dachten: „Na, Du wirst vielleicht noch schön!“ Für mich hat das Jahr wunderbar und ruhig begonnen, nach den Weihnachtsfeiertagen ist viel Stress des letzten Jahres abgefallen. Herzlich willkommen neues Jahr!
Rauhnächte und Arbeitsplanung
Ist Neujahr nicht nur irgendein Tag in der langen Kette der Tage, die vorüber ziehen? Für mich ist es ein Teil der Rauhnächte, traditionell die Zeit nach der Wintersonnenwende vom 21. Dezember bis zum dritten Januar, Zeit der Einkehr, Besinnung und Ruhe. Aus der Dunkelheit wird Licht geboren, frisch und zunächst klein. Die Rauhnächte sind ein Brauch aus vorchristlicher Zeit, abgesehen von den Feiern zur Wintersonnenwende sollte alle produktive Arbeit für 14 Tage ruhen. Das klingt erstmal nett und ist ein Anlass äußere Aktivitäten in der Zeit herunterzufahren… wenn wir das dann können. Ob unsere Ahninnen das konnten? Nach dem ganzen Backen und Kochen zu den Festivitäten, ohne Elektroherd und Küchenmaschine selbstverständlich, legte sich die Arbeit vor allem auf den Höfen nicht von alleine lahm. „Können wir die CTG-Kontrollen nicht nach dem Spätmelken vereinbaren“ diesen Schnack habe ich sowohl in Heide als auch in Winsen regelmäßig in der Ambulanz des Krankenhauses vernommen, wenn über die Feiertage hochschwangere Patientinnen ankamen. Sowohl die Kühe und Schweine hielten nichts von Winterruhe, während der Grünkohl brav auf den Feldern auf Frost wartet, der hoffentlich bald kommt. Auch das Krankenhauspersonal, zwar nicht in üblicher Stärke, hält Wache und weiß manchmal so gar nichts von Ruhe. Seit 11 Jahren bin ich raus aus den Kliniken, kann selber wählen, dass ich an den Werktagen der Rauhnächte nur am Vormittag die Praxis öffne und ansonsten…. lasse ich mich auch mal vom Weihnachtsstress und Hektik erwischen.
Weihnachtsspaziergang - Vorher
Die Bude ist geschmückt, nun eher minimalistisch, sowohl von meinem Stilempfinden diktiert, als auch davon, dass ich als Buddhistin weder Baum noch Krippe im Wohnzimmer aufbaue, der Lammbraten schmort im Ofen, Familienbesuch naht. Ich brauche jetzt noch ein kurzes Auslüften im Projensdorfer Wildgehege, Bewegung und frische Luft. Ich liebe slow-cooking, der Braten ist 4 Stunden bei 80°C gut aufgehoben, der Crockpot mit dem Rotkohl schmurgelt ebenso lange. Nie wieder Wutausbrüche meinerseits, wenn ich ein großes Essen auf den Punkt plane und ein Anruf mich davon informiert, das die Familie ohne mich beschlossen hat, das Essen beginnt früher, sie sind schon mal losgefahren und auf dem Weg. Vor einigen Jahren stand vor dem Weihnachtsschmaus ein "Aaaarrrrrgh!"
Stechpalmenbüsche lassen ihre roten Beeren im fahlen Winterlicht leuchten, Ilex aquifolium kommt an Waldrändern, Gehölzen aber auch gerne in Parks und Gärten vor. Wenn alles braun und grau zurückgezogen ist im Winter, steht diese einzige europäische Stechpalmenart, die das Flachland und milde Winter liebt, bunt und klar da. Häufig als Farbtupfer in Kränzen und Gestecken in der Adventszeit ist das piksige Gewächs zur Weihnachtszeit ein Gast in vielen Wohnungen. Passt perfekt, nicht nur zur Dekoration: Holly, so der englische Name von Ilex, ist eine der 38 Blütenessenzen von Dr. Edward Bach, dem Arzt, der Anfang des letzten Jahrhunderts von der Homöopathie inspiriert, die Bach-Blüten-Therapie entwickelte. Die Homöopathie fand Dr. Bach spannend, aber zu stark körperorientiert. Er ging davon aus, lange bevor das Wort „Psychosomatik“ erfunden wurde, das Krankheiten in der Seele ihren Ursprung haben. Sehr flapsig übersetzt: „Wenn wir nicht sind, wie Gott uns gedacht hat, bekommen wir einen gezielten Wink mit dem Zaunpfahl, müssen uns hinlegen und mal nachdenken“. Die Orignalschriften des Dr. Bach sind mühsam zu lesen, die Sprache streng und biblisch, unter der Kruste des alten „very British English“ und theosophischen Idealen, steht die Erkenntnis, dass wir uns mit unseren emotionalen Blockaden gerne selber im Wege stehen. Die Bach-Blüten sind keine körperliche Therapie, von Dr. Bach waren sie als Mittel zur Seelenhygiene gedacht, als etwas, das einen Impuls setzt, geistige und emotionale Blockaden zu überwinden. Eine Unterstützung für innere Einkehr und Selbsterkenntnis, kein Ersatz für andere Medizin, schließlich war Dr. Bach jahrelang in seiner Praxis in London auch chirurgisch tätig gewesen. Ein durchgebrochenes Magengeschwür…. Natürlich, ein Fall für das Skalpell, aber seine Frage zielte auf die Ursachen ab. Seelischen Kummer in sich hineinfuttern, still ableiden, oder wortwörtlich alles wegputzen, was die Weihnachtsteller so hergeben, dann einen Schnaps, Whisky oder Grappa als „Verdauerli“ oder auch zwei. Ist der einzige Grund, warum Weihnachten so viel gegessen wird, der das es phantastisch schmeckt oder das wir das Christfest oder den Mittwinter feiern?
Stechpalme (Ilex aquifolium) oder schlicht Holly
Holly ist die Bach-Blüte, die gegeben wird bei Wut, Zorn, Neid, Eifersucht, diesen hässlichen Gefühlen, die wir nicht haben wollen. Klingt nicht sexy und ist oft ein Teil von Weihnachten. Wenn ich Bach-Blüten-Kurse gegeben habe, war ein Schlagwort für Holly immer: „Weihnachten, das Fest der Liebe und der Hiebe“ – Nein, zum Glück prügeln sich die meisten Familien nicht, aber es gibt oft Stress. Hohe Erwartungen an das Fest der Liebe gepaart mit Ruhebedürfigkeit im Winter und spätestens am 2. Feiertag bricht es sich bei vielen Menschen Bahn: Wutausbrüche oder Tränen, runtergeschluckter Frust und mindestens ein Glas alkoholischen Weichspüler oder ein Nachschlag Süßes zu viel. Was steht hinter dem Zorn, dem Unwillen, der Wut, dem Neid, dem Piksigen von Holly mit den stechenden Blättern? Ein verletztes Herz! Die Wurzel ist nicht Bösartigkeit, sondern das Gefühl nicht gesehen zu werden. Als Mensch nicht beachtet zu werden macht innerlich wund. Geschenke zu bekommen, mit denen sich der Schenkende selber meint oder scheinbar jemanden anderes bevorzugt, das mühsam gekochte Essen wird nicht gewürdigt; ein großes Fest beinhaltet immer auch emotionale Tretminen. Ich habe selber das große Glück, Weihnachten seit Jahren von Menschen umgeben zu sein, die meine Kochkunst schätzen und sehr glücklich sind mit allem, was mein Herd hergibt, so lange ich nur Rosenkohl vermeide und es Nachschlag gibt.
Die Stechpalme ist kein Kondom für das Herz, das vor allem schützt, aber sie kann helfen etwas gelassener mit eigenen Erwartungen umzugehen. Zu sehen, das der andere doch auch nur ein unvollkommener Mensch ist und keine Gedanken lesen kann, was ich mir wünsche oder an welchen Punkten ich mich seit meiner Kindheit zurückgesetzt fühle. Und das der Andere manchmal nur mit sich selber beschäftigt ist und einfach nicht über den Tellerrand schauen kann, ist bedauerlich, wir können uns aber nur selber ändern, oder unsern Blickwinkel. „Wir sind keine Engel“ der wunderbare Film mit Peter Ustinov, Humphrey Bogart und der Schlange Adolf zeigt, dass die Qualitäten von Menschen so oder so gesehen werden können. Diesen Film in der Weihnachtszeit anzusehen ist unsere dringende Empfehlung vom gesamten Praxis-Team. Holly kann helfen rechtzeitig Worte zu finden oder raus zu gehen, bevor der Aufstau der Gefühle dann zu Worten der Wut und des Zornes führen.
Wie wirken Bach-Blüten
Die Themen der 38 Bach-Blüten sind archetypische Erfahrungen der menschlichen Seele, die eine positive und eine negative Seite haben. Die Tropfen, die ähnlich wie bei vielen homöopathischen Mitteln so hoch verdünnt sind, das eine stoffliche Wirkung nicht mehr nachzuweisen ist, helfen uns, wieder zur positiven, in diesem Fall gelassenen Seite zurückzukehren. Nein, Holly heilt kein akutes Magengeschwür oder auch nur eine Magenschleimhautentzündung. Die Blütenessenz wird in individuellen Mischungen verwendet zum Beispiel bei Geschwister- Eifersucht, die nicht nur bei den Kleinen unter dem Weihnachtsbaum stattfinden kann. Von Seiten der wissenschaftlichen Medizin wird die Bach-Blütentherapie belächelt, schließlich ist kein Wirkstoff nachzuweisen in den Fläschchen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass wir weit mehr sind als Materie und das Informationen auch eine Wirkung haben, die sich auf die stoffliche Ebene auswirken, machen die Themen der Blüten viel Sinn. Im Gespräch die Blockaden aufzuzeigen unterstützt ebenfalls den Prozess, rechtzeitig zu erkennen, an welchen Punkten im Leben wir uns selber in die Füße schießen.
Weihnachtsspaziergang - Hinterher
Wenn Sie beim nächsten Winterausflug Stechpalmen am Wegesrand sehen, bitte nicht selber ernten: Holly steht in Deutschland unter Artenschutz. Für Gestecke wird die Stechpalme in Gärtnereien angebaut, und die Beeren sind für Menschen giftig und können Herzrhythmus-Störungen, Erbrechen und Nierenschäden verursachen…
Angucken: Ja! Pflücken: Nein!
Früher wollte ich immer alle Pflanzen mitnehmen, trocknen, erforschen, Stecklinge auf dem Balkon einpflanzen, was zu vielen trockenen, krümeligen Blattresten in einem Herbarium führte und einer traurigen Topf-Flut auf dem Balkon. Mittlerweile habe ich gelernt, sie in der Natur zu genießen, dort wo sie von alleine wachsen und die Themen im Kopf zu bewegen, für die sie in der Therapie stehen oder über die Krankheiten und Symptome nachzusinnen, bei denen sie helfen können. Bei der europäischen Stechpalme kam vor Jahren die Erkenntnis, dass die Rauhnächte eine Zeit sind, bei der ich Zeit für Rückblick und Zukunftsträume brauche und das ich mit Wut, Zorn und Abneigung reagiere, wenn zu viele Termine die ruhige Zeit verstopfen. Eine gute Balance zu finden zwischen eigenen Bedürfnissen und den Wünschen Anderer und Traditionen, diewichtig sind, zu pflegen als ein Ankerpunkt im Jahreskreis, ist immer wieder eine Übung. Jedes Jahr wieder, alle Feiertage wieder und in diesem Sinne werde ich die letzten zwei ruhigen Tage genießen, bevor das Arbeitsjahr von neuem beginnt und sich das Kind entfaltet. Neben Ilex, der Stechpalme grüße ich die Eiben (Taxus bacta, der Ewigkeitsbaum) sowie die Buchen (Fagus sylvatica, auch eine Bachblüte: Beech[i]) im Projensdorfer Gehölz.
Genießen Sie auch einen ruhigen Jahresbeginn. Ich wünsche Ihnen ein gesundes neues Jahr, das mit viel Freude startet.
Ihre Dr. Dorothee Struck
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