Pille und Pubertät
von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)
Bitte nicht zu früh die Pille, wenn sie nicht zur Verhütung nötig ist.

Die Pubertät bringt viel Umbruch ins Leben, bei jungen Damen beginnt ihr fruchtbarer Lebensabschnitt. Manchmal ist das hormonelle Geschehen zu Beginn ein Bisschen holperig bis sich die weiblichen Hormone eingependelt haben, es darf 2-3 Jahre dauern, bis der Zyklus regelmäßig abläuft. Die erste Regel findet im Durchschnitt mit 12 Jahren statt. Die erste Liebe kommt meist etwas später, aus Schwärmerei und Händchenhalten wird wilde Knutscherei und irgendwann mehr. Das Alter, in dem der erste Geschlechtsverkehr stattfindet hat sich in den letzten Jahren wieder nach oben verschoben. Heute haben junge Ladies im Durchschnitt mit 17 den ersten Sex. Aber eben nur im Durchschnitt... neben der individuellen frühen oder eher späten Entwicklung führen sozialer und familiärer Hintergrund zu starken Abweichungen. Egal wann der erste „richtige“ Freund an ihrer Seite steht, für das Mädchen stellt sich irgendwann die Frage nach der Verhütung.
Was die (meisten) Mädels wollen
Mit Abstand ist die kombinierte Pille aus einem Progestin (künstliches Gelbkörperhormon) und einem meist auch künstlichen Östrogen das von jungen Mädchen und Frauen am häufigsten gewählte Verhütungsmittel. Laut Techniker Krankenkasse nehmen
- 60 % der 16- bis 20-Jährigen orale hormonelle Verhütungsmittel ein.
- 11% der Mädchen Im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren
Aber die Pille dient längst nicht mehr nur zur Verhütung ungeplanter Schwangerschaften. In den letzten Jahren hat sie sich zunehmend zu einer Lifestyle-Droge entwickelt, von der sich junge Mädchen eine schönere Haut, bessere Haarstruktur und einen weiblicheren Busen versprechen. Mädchen holen auf dem Schulhof ihre Pillenpackungen aus der Tasche und vergleichen, welche am schnellsten die Mitesser beseitigt hat. Oder sie fragen herum, mit welcher Pille ihre Mitschülerinnen nicht zugenommen haben.
Die Pille, viel mehr als nur sichere Verhütung
Häufig möchten Mädchen die Pille schon lange Zeit, bevor das Thema Sex auf dem Plan steht, für viele ist ein Stück weit ein Ritus des Erwachsenwerdens. Der Druck einem äußerlichen weiblichen Idealbild zu entsprechen, ist heute in Zeiten von Social Media und Selbstoptimierung groß. Das die Pille eine kurze Pseudo-Menstruation auslöst, die meist schmerzfrei ist und nach Belieben auch mal ausfallen kann, ist ein zusätzlicher Bonus. Ja, es gibt schwere Formen der Dysmenorrhoe, die ein Mädchen vom Schulbesuch abhalten, dann kann die Pille ein echter Segen sein. Für leichte Formen von Menstruationsbauchschmerzen, Zyklusunregelmäßigkeiten aber auch unreiner Haut sind eher naturheilkundliche Behandlungen die erste Wahl. Denken Sie beispielweise an den engen Zusammenhang unreiner Haut mit der Darmflora und Ernährung und an den Schatz der Heilpflanzen und Homöopathika bei Unterbauchkrämpfen. Wenn die Mitesser sprießen, weil Schoko-Creme auf weißem Toast und Pommes so lecker sind, kann eine Pille zwar die Haut von innen austrocknen, ist aber dennoch ein Medikament und der falsche Ansatz.
Die Pille war gar nicht für die frühe Pubertät gedacht!
Als die hormonelle Verhütung Anfang der 1960er-Jahre ihren Siegeszug antrat, verschrieben Ärzte sie ausschließlich an ausgewachsene Frauen über 18. Auch in den Studien, für die Zulassung von Verhütungsmitteln, waren die Studienteilnehmerinnen mindestens volljährig. Dass in den letzten zwei Jahrzehnten mehr und mehr Jugendliche die Pille nehmen, ist genau genommen eine Off-label-Anwendung. Das ist die Verordnung eines Arzneimittels, die nicht durch wissenschaftliche Studien abgesichert und begründet ist. Es gibt leider kaum wissenschaftliche Arbeiten darüber, wie sich ein sehr früher Beginn der Pilleneinnahme auf den Verlauf der Pubertät, die Ausreifung der Geschlechtsorgane und die Psyche auswirkt. Daher sollte eine junge Frau die Pille in jedem Fall erst dann nehmen, wenn tatsächlich Verhütung notwendig wird.
Zu früh die Pille in der Pubertät nehmen, kann später die Fruchtbarkeit stören,
Wir beobachten bei uns in der Praxis eine zunehmende Anzahl an langanhaltenden Zyklusstörungen nach Absetzen der Pille; vor allem bei Mädchen, die die Pille mit 12, 13 oder 14 Jahren sehr schnell nach der ersten Regelblutung erhalten haben, ohne dass sie vorher einen ausgereiften Zyklus hatten. Wird die Pille dann Ende 20, Anfang 30 abgesetzt, weil dringender Kinderwunsch besteht, sind die Frauen oft verzweifelt: Keine regelmäßige Menstruation und der Storch mag nicht zügig landen. Vor der Verordnung der ersten Pille sollte mindestens 2 Jahre ein regelmäßiger Zyklus bestanden haben.
Nebenwirkungen: nicht nur Thrombosen, auch Depressionen!
Jedes Medikament das wirkt, kann selbstverständlich auch Nebenwirkungen erzeugen. Neben den seltenen aber sehr schwerwiegenden Thrombosen und Schlaganfällen, kommen auch bei vielen Mädels gehäuft Scheiden- und Blaseninfektionen vor, gerade nach Geschlechtsverkehr. Vor allem die von vielen Mädchen sehr erwünschten, hautaustrocknenden (antiandrogenen) Anti-Pickel-Pillen kommt es zu einem Abfall des Dehydroandrostendinon-(DHEA-) Spiegels bis zu 50% vom Ausgangswert. Das ist ein Hormon der Nebennierenrinde, das für Regeneration, Muskel- und Knochenaufbau zuständig ist. Ist der Spiegel hoch, wird es unter anderem in das männliche Hormon Testosteron umgewandelt. Zuviel Testosteron lässt die verhassten Pickel sprießen und die Haare fettig werden. Zuwenig davon kann aber für mangelnden Schwung & Libido sorgen. Es wird auch als ein Grund gesehen, das Mädchen unter Pille oft über gedrückte Stimmung klagen. In den vergangen Jahren gab es einige Studien, bei denen der Pille gezielt DHEA zugesetzt wird, um diesen Effekt abzumildern. Dänische Studien belegen, das Jugendliche unter Pilleneinnahme häufiger an Depressionen erkranken und in Folge mit Psychopharmaka behandelt werden.
Abwägen: was ist das kleinere Übel in der Pubertät
Gleichwohl ist hormonelle Verhütung gegenüber einer ungewollten Schwangerschaft im Jugendalter das kleinere Übel: Auch ich habe schon einer 13-Jährigen die Pille verschrieben, nachdem sie angab, schon mehrfach unverhütet Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Für die Schusselchens, die die Pille oft vergessen, sind dann Vaginal-Ringe, Pflaster oder ein Implantat eine Möglichkeit, die gleichen Hormone wie in der Pille, nur es muss nicht täglich daran gedacht werden. Auch wenn viele Mütter sich eine hormonfreie Verhütung für Ihre Töchter wünschen, gelegentlich ist die jugendliche Gebärmutter für Spirale, Ball und Co noch zu klein. Manchen Jugendlichen fehlt die Reife, um Sexualität und Verhütung zu kombinieren, zum Beispiel im Angesicht des Geschehens konsequent ein Diaphragma zu verwenden. Natürlich sollte, gerade in einer erst beginnenden Beziehung immer auch ein Kondom verwendet werden. Gerade bei Teenies ist Doppelverhütung wichtig, soll es eine Pille sein, kommt es dann darauf an, möglichst Pillen mit einem niedrigen Nebenwirkungsprofil und geringem Thromboserisiko zu verwenden.
Wir wünschen Ihnen einen schönen Spätsommer!
Ihre Dr. Dorothee Struck und das Praxisteam
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