Mönchspfeffer: Eine Geschichte von Kinderwunsch und Soldaten im alten Rom

von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)

Eine zu oft und manchmal falsch verwendete Heilpflanze

Mönchspfeffer… hilft bei verlängertem Zyklus immer, oder?

Vitex Agnus Castus,
Vitex Agnus Castus, kümmerlich auf norddeutschem Balkon

Der Blog ist überfällig, sehr sogar, wie oft die Menstruation und manchmal auch ein Kind…  das passt in gewisser Weise zu der Pflanze, über die ich schon seit Wochen schreiben möchte: Der Mönchspfeffer. Vitex agnus castus, auf Latein heißt „agnus castus“ „das keusche Lamm“, denn es wurde im Mittelalter dem Kräuterbier zugemischt um den Geschlechtstrieb der Mönche zu dämpfen. Wobei die Idee, diese Pflanze zur männlichen Triebdämpfung zu nutzen, nicht aus der Klosterküche des finsteren Mittelalters kam, sondern schon im alten Rom ein Thema war. Die erste erhaltene Beschreibung, dieses im Mittelmeerraum beheimateten Halbstrauches, ist bei Dioskurides zu finden. Dieser griechische Arzt war unter anderem als Berater für medizinische Probleme in der Armee von Kaiser Caligula zuständig und diskutierte mit den Offizieren das Problem überschüssiger „Energie“ bei jungen Soldaten im Heereslager im Angesicht von Frauenmangel…. Von Testosteron und Hormonen wusste Dioskurides nichts, aber den Rat, den Wein für die Soldaten mit den Beeren des Mönchspfeffers zu würzen, gab er dennoch.

 

Wie wirkt der Mönchspfeffer?

Ist es denn eine Pflanze, die die männlichen Hormone unterdrückt? Nein, es ist eine Heilpflanze, die die Produktion weiblicher Geschlechtshormone, vor allem des Progesterons fördert. Frauen brauchen und haben ein wenig männliche Hormone, genauso, wie sich im Körper des Mannes eine kleine Menge weibliche Hormone finden müssen. Nicht zu viel, nicht zu wenig, wie immer eine Frage der Balance. Und clever, von unserem Körper, das er alle Geschlechtshormone (und auch Cortisol) aus Cholesterin herstellt und sie über Enzyme ineinander überführen kann. Aus Testosteron kann er zum Beispiel Estriol, unser Schleimhaut-Schutz-Hormon, das gegen häufige Infekte im Bereich der Blase und der Scheide schützt herstellen. Testosteron unterdrücken zu wollen, so, wie es die meisten Anti-Baby-Pillen tun, ist also nicht immer sinnvoll und auch nicht der Zweck und die Wirkung der Keuschlamm-Früchte. Der Mönchspfeffer ist eher in einem anderen Bereich aktiv, es fördert die Bildung von Progesteron, dem Gelbkörperhormon, unserem Hormon der Weisheit und Reflexion, das wir immer dann gut bilden, wenn wir entspannt sind. Nachgewiesen ist für Agnus castus vor allem eine Senkung eines hohen Prolaktin-Spiegels, des Milchbildungshormons, das in der Stillzeit unter anderem dafür sorgt, dass wir nicht so schnell wieder schwanger werden. Und das auch eines der Stresshormone ist. Bei Dauerstress steigt es an, behindert die Eireifung und die Gelbkörper-Bildung, denn in Stressphasen findet der Körper so mancher Frau die Idee, jetzt auch noch ein Baby durchfüttern zu sollen, eine Zumutung. Auch das ist natürlich sehr unterschiedlich, so manche Frau wird in Streßphasen superschnell schwanger, andere reagieren sehr schnell vom Zyklus her verstockt, sobald der Druck von innen und von außen steigt. 

 

Symptome, bei denen der Mönchspfeffer wirkt

Und damit wären wir bei den ersten Symptomen, bei denen eine Behandlung mit dem Mönchspfeffer in Frage käme, es ist eine Pflanze, die bei unerfülltem Kinderwunsch, verlängertem und eher unregelmäßigem Zyklus und instabiler Gelbkörperphase Anwendung finden kann. Häufig äußert sich die nicht ganz so prickelnde Funktion des Gelbkörpers und des relativen Progesteronmangels in Brustspannen vor der Menstruation, Wassereinlagerungen und das überschüssige Wasser tropft auch gerne zu den Augen wieder raus…. Emotional entspricht die Zeit vor der Regel, wenn Keuschlamm-Früchte als Heilpflanze passen, einer eher depressiv-weinerlichen Gemütslage, oft mit Süßhunger-Anfällen. In Phasen der hormonellen Umstellung ist es eine hilfreiche Pflanze: gerne in der Pubertät, wenn die Zyklen unregelmäßig, lang und schmerzhaft sind, die Blutungen gelegentlich heftig stark fließen und vor der Regel zieht der Weltenkummer ein. Aber auch, wenn im Wechsel der Zyklus sich plötzlich wieder benimmt, wie in der Pubertät… „solche Unterbauchkrämpfe bei der Blutung hatte ich zuletzt mit 16“. Nun, Wechseljahre sind in bestimmter Hinsicht eine umgekehrte Pubertät, warum dann nicht eine Pflanze wieder entdecken, die hilft, in einen regelmäßigen Zyklus hineinzuwachsen. Das kann auch beim Ausstieg die Wogen glätten.

Müssen denn alle diese Körperzeichen vorhanden sein? Nein, definitiv nicht ich beschreibe hier kein homöopathisches Mittel, bei dem so viele Symptome wie möglich richtig gut zum Arzneimittelbild passen müssen, wie ein Hintern auf den Eimer. Bei Heilpflanzen reichen einzelne Symptome völlig aus. Es muss also nicht der ganze Cocktail von Brustspannen, heuligem PMS, verlängertem oder unregelmäßige Zyklus und obendrein noch Menstruationskrämpfe während der Blutung vorne hinter dem Venusknochen (Symphyse) sein, um es mit den Keuschlammfrüchten zu versuchen… Aber, trotzdem muss die Pflanze zur Frau passen.

 

Einer für alle, alle für einen?

Ich habe manchmal das Gefühl, wenn einige Kollegen eine Heilpflanze kennen, dann ist es Agnus castus, und die muss dann für alles herhalten; was sie nicht kann und eigentlich auch nicht muss. Es gibt doch viele schöne Heilpflanzen! Mönchspfeffer kann den Eierstöcken ein Bisschen Dampf unterm Hintern machen und sie anregen, mehr Progesteron zu bilden und in der Hirnanhangsdrüse die Prolaktin-Produktion dämpfen, dazu gibt es gute wissenschaftliche Studien. Gerade bei Frauen, die sich mit ihrem Kinderwunsch sehr „reinstressen“ und sich so ein wenig selber ins Knie schießen, kann das wunderbar sein. Die Senkung des Still- und Stress-Hormons Prolaktin fördert dann oft auch die Libido und das Zulassen-können von Entspannung. Ob da der mediterrane Einschlag durchkommt? Die Pflanze, wächst so gut in Ländern, in denen die Sonne mehr scheint, die Uhren oft ein Bisschen langsamer gehen und die Idee der Siesta geboren wurde?

Es gibt auch Frauen, die vertragen den Mönchspfeffer nicht gut, werden grätzig davon. Die Libido verkrümelt sich bei Frauen im Gegensatz zu Männern unter Agnus Castus eher selten in den Keller, aber wenn, dann ist das ein klares Zeichen, das diese Pflanze nicht zur Frau passt. Bei einem Syndrom der Polyzystischen Ovarien (PCO), bei der der Zyklus zwar auch verlängert ist, aber eine Erhöhung der männlichen Geschlechtshormone im Vordergrund steht und das Prolaktin fast immer bestens im Normalbereich zu finden ist, übernehmen andere Pflanzen die Führung. Auch bei einer post-pill-Amenorrhö, dem Ausbleiben der Menstruation nach der Pille, ist der Mönchspfeffer nicht die Patentlösung für alle Probleme. Hier kann der Mönchspfeffer wenn überhaupt als unterstützende Beigabe im Therapiekonzept eine Rolle spielen, wird aber nicht dauerhaft eine Rolle spielen.

 

Wie wird Vitex agnus castus angewendet?

Eine Freundin aus Kroatien erzählte, während des Kosovo-Krieges waren Medikamente extrem knapp und als Selbsthilfe haben Frauen die angemörserten Beeren in selbst gebranntem Slivovic eingelegt. Hausgemachter Schnaps war in jedem Dorf zu finden, die Agnus castus-Sträucher wuchsen ebenfalls reichlich am Wegesrand. Bei Menskrämpfen gab es dann einen kräftigen Schluck aus der Buddel. Sie sagte, es habe fast allen Frauen super geholfen. Kein Wunder, denn die Wirkstoffe des Mönchspfeffers sind fettlöslich, und Alkohol ist ein prima Lösungsmittel dafür um sie aus den harten Beeren zu extrahieren. Zur Tee-Zubereitung sind sie eher ungeeignet, denn nicht alle Inhaltsstoffe lösen sich überhaupt im Wasser. Also wieder einmal eine Pflanze, für die fertige Präparate aus der Apotheke in Frage kommen. Jedenfalls nach meinen Anzuchtversuchen auf dem Balkon….

Ganze drei magere Blütenrispen dann doch noch mit der schönen Spätsommerssonne, aber bislang keine Früchte. Aber mein Mann hat auch keine heimliche Schnapsbrennerei im Keller, von daher ist das nicht ganz so schlimm. 

Je länger ich mich mit Heilpflanzen beschäftige, desto pingeliger werde ich mit meinen Qualitätsansprüchen an die Herstellung und den Pflanzenanbau, daher verschreibe ich den Mönchspfeffer nur noch von Firmen, die ebenfalls qualitativ hochwertige Pflanzenextrakte machen und sich den Umgang mit Heilpflanzen als ureigene Tätigkeit auf die Fahnen geschrieben haben. Und mit deren Extrakte ich jetzt seit über 15 Jahren gute Erfahrungen habe. Es gibt mittlerweile etliche Anbieter von Fertig-Präparaten aus Keuschlamm-Früchten, manchmal ist eine ausbleibende Wirkung nicht nur der falschen Pflanze zuzuschreiben, sondern einem unsachgemäßen Extrakt zu verdanken. Manchmal denke ich, es gibt auch Firmen, die nur auch ein Stück vom lukrativen Kuchen der Phytotherapie wollen, aber keine Liebe zu den Heilpflanzen, die uns seit Jahrtausenden begleiten, haben. Herstellung von Heilpflanzen ist wie die Kunst des Teekochens, zwei Minuten Ziehzeit oder fünf Minuten, machen aus einem Assam-Tee zwei ganz unterschiedliche Getränke, ein guter Sencha-Grüntee wird oft bitter, wenn das Wasser wirklich 100° C beim Überbrühen hatte, mit 80° entfaltet sich ein wunderbares Aroma…  Und so kommt es, dass immer wieder Patientinnen vor mir sitzen und sagen, Phytotherapie hab ich schon probiert, das bringt gar nichts… Falsche Pflanze? Falscher Extrakt? Für diese Frau?

Ihnen einen wunderbaren Herbstbeginn

Ihre Dr. Dorothee Struck

 

Auf Grund des Heilmittel-Werbe-Gesetzes geben wir hier keine konkreten Empfehlungen für Präparate und Dosierungen, bitte fragen Sie in Ihrer Arztpraxis oder Apotheke. Dosierungs-Anleitungen und konkrete Teerezepte bekommen Sie daher nur, wenn Sie Patientin bei uns in der Praxis sind. Oder als Kollegin über Fachfortbildungen.

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Die Beiträge dieses Blogs dienen der allgemeinen Information über gesundheitliche Themen. Sie können und sollen in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen. Sie sollten daher die hier bereitgestellten Informationen niemals als alleinige Quelle für gesundheits-bezogene Entscheidungen verwenden und sie dürfen nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Zur eigenverantwortlichen Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen finden  Sie hier Informationen zu Teemischungen und Produkten, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Es entbindet sich nicht von der Pflicht, die Beipackzettel zu studieren und ggf. Rat von Ihrer Ärztin oder Apothekerin einzuholen. Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall ärztlichen Rat einholen. Die Inhalte erheben weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch kann die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden.

Bildnachweis /Fotos: Dr. Dorothee Struck, Joachim Struck, Creative Commons oder gekauft bei Depositphotos

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