Milchbildungstee und andere Zumutungen

von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)

Viel hilft viel.... Nein, zuviel und zu früh kann auch schaden

Respekt vor Heilpflanzen und dem Körper

Jetzt am Wochenende geht´s auf nach Hamburg und ich darf wieder auf Milchbildungstee schimpfen. Bitte, wie war das? Na, ja, in meinem Gynäkologie-Kurs geht es im zweiten Teil unter anderem um die Anwendung von Heilpflanzen und bewährten homöopathischen Mitteln in Schwangerschaft und Stillzeit. Und damit natürlich auch um geeignete Kräuter, die in einen Milchbildungs-Tee hineingehören, wie die Zusammensetzung und Zubereitung gut und richtig ist aber auch, was nicht OK ist. Dann fange ich an zu meckern, nicht über den Milchbildungstee als solches, solange er nicht zu viel Brennnessel-Blätter enthält. Sondern über die Angst von Frauen, nicht zu genügen, nicht gut genug zu sein, prophylaktisch schon zu glauben, sie hätten zu wenig Milch, sie bekämen Ihr Kind nicht satt. Wenn das so schwierig wäre, wie hat es nur die Menschheit geschafft, sich all die langen Jahrhunderte fleißig zu vermehren. Natürlich gab es Einbrüche im Wachstum der Menschheit, aber schreckliche Kriege und Seuchen, wie die schwarze Pest waren daran schuld und nicht der Milchmangel der Mütter.

 

Vertrauen in unsere Körper

Je länger ich im „Geschäft“ bin, desto mehr vertraue ich auf die Weisheit unserer Körper, die nur leider nicht sprechen können. Und wenn Angst und Sorgen den Geist dominieren, ist es schwer zuzuhören, was sie uns denn mitteilen will. Zu vertrauen, dass sich das Spiel der Hormone und der körperlichen Vorgänge in fast allen Fällen selber regulieren kann, fällt oft schwer. Milchbildungstee kann per Privatrezept verordnet werden, Zutrauen in den eigenen Körper nicht, wie schade!

 

Milchbildungstee ist ein Therapeutikum!

Eine pflanzliche Medizin, die dann angezeigt ist, wenn einige Tage NACH dem Milcheinschuss klar ist, es reicht nicht. Und zwar dann, wenn das Kind wirklich nicht satt wird, dies lautstark kundtut und zu stark abnimmt. In den ersten Tagen nach der Geburt gibt es Vormilch, aus gutem Grunde wenig, denn der Darm des Kindes muss sich doch erstmal an die Nahrung gewöhnen. Vorher gab´s nur Fruchtwasser – das fasziniert ja immer die größeren Geschwister, wenn ich beim Ultraschall erzähle, dass wir alle in Mamas Bauch ins Fruchtwasser gepinkelt haben und es auch wieder getrunken haben. Ist ja nur salziges Wasser, die Nährstoffe und Abfallstoffe gingen hin und her durch die Nabelschnur.  Wir üben zwar das Schlucken und Pieschen (das interessiert die „Großen“ Geschwister immer mehr), nicht aber das Verdauen von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten solange wir in der Gebärmutter schwimmen. Daher ist es gut eingerichtet, das die Vormilch, das Kolostrum, von der Menge her wenig ist. Nicht Masse, sondern Klasse, dafür aber nicht mit Gold aufzuwiegen für das Immunsystem des Kindes.

Als ich noch in der Klinik gearbeitet habe, vor allem in den 90ern, wurden Patientinnen nicht so früh entlassen. Auf den Wöchnerinnen-Station habe ich oft gemeckert: mit Frauen, die schon am ersten Wochenbetts-Tag Liter-Kannen mit Milchbildungstee anforderten und auf dem Nachtschränkchen stehen hatten, genauso wie mit gut-meinenden Schwesternschülerinnen, die diesen anschleppten und stetig auffüllten. Wenn nach einigen Tagen der Milcheinschuss kam, dann meist „für alt und für neu“, das heißt mit geballter Wucht, Schmerzen, übervollen Drüsen. Ein Überangebot, das das Baby kaum wegtrinken kann und das dann gelegentlich die unschöne Basis für wiederkehrenden Milchstau und Entzündungen der Brust werden kann. Heute werden Frauen früher entlassen, nicht alle haben eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung gefunden, der Mangel in Kiel und anderer Orten ist eklatant. Seit einem guten Jahr stehen wieder mehr Wöchnerinnen mit schmerzenden, übervollen Brüsten und Tränen in den Augen in der Praxistür.

 

Von den Pfadfindern lernen

Wie viele Patientinnen haben von mir schon gehört, die erste Lektion für Pfadfinder in der Natur ist: fließende Gewässer sind die sauberen; stehende Gewässer sind Sumpf. Wir trinken nicht aus dem Stauwasser, da können Bakterien gut wachsen. Gilt auch für den menschlichen Körper: alles was abfließen kann, reinigt sich selber, bilden sich stehende Gewässer, ist das eine Einladung für Keime, die dort nicht hingehören. Und es ist schade, sich den Milchstau selber anzutrinken! Nehmen Sie ihren Körper ernst und nehmen erst dann Heilmittel, wenn sie wirklich nötig sind, meine Damen. Boykottieren und untergraben Sie die Fähigkeit regulieren zu können wieviel das Kind braucht nicht vorausgreifend.

 

Von Dänen und Chinesen lernen

Als ich meine Kurse in Chinesischer Medizin besucht habe, fand ich es so spannend, dass die meisten Akupunktur-Punkte für „zu wenig Milch“, dieselben Punkte waren, die für das Problem „zu viel Milch“ gestochen wurden. In der traditionellen Chinesischen Medizin geht es um ein Anregen der Eigenregulation. Ich kann mit der Technik der Nadelung dem Körper einen Wink in die richtige Richtung geben…. den Rest regelt er schon von alleine. Viele Punkte für Probleme mit dem Stillen gehören zu den Meridianen Milz und Magen, die Emotion dafür ist die Sorge. Klingt für westliche Mediziner immer ein Bisschen schräg, ich finde, es passt perfekt. Wie ein dänisches Sprichwort sagt: „Wer ständig über seinen Sorgen brütet, dem schlüpfen sie auch aus“. Wenn ich schon Wochen vor der Geburt misstrauisch bin, ob ich das schaffen kann, mit der Milchbildung, und bezweifele, das mein Körper es leisten kann, das Kind zu ernähren…  – Professor Hu sage so schön, wenn Sie eine Nadel nehmen und es schaffen, den Geist zu beruhigen, dann haben sie viel erreicht. Hoher Anspruch, so gut bin ich nie in TCM geworden, aber dafür weiß ich viel über (westliche) Heilpflanzen und habe hohen Respekt vor Ihnen.

 

Die Pille zum (Ab-)Stillen

Demnächst wird es dann auch wieder ein Webinar über die Zubereitung von Tees und Umgang mit Heilpflanzen geben, aber erstmal muss ich mir eine andere Zumutung in Sachen Stillen von der Leber reden: Es wird gerade wieder in, Frauen nach der Geburt die Pille zur Verhütung schmackhaft zu machen, selbst wenn sie noch stillen. Ich habe vor einer Weile einen Pharmareferenten vor die Tür gesetzt, der mit erzählen wollte, eine Kombinationspille würde sich doch überhaupt nicht auf die Muttermilch auswirken…. OK, und warum erzählen erfahrene Hebammen ganz andere Dinge? In den 60er Jahren wurden künstliche Östrogene in Tablettenform zum Abstillen gegeben? Das Abstillen hat damit super effektiv geklappt. Die Milch ist schnell versiegt, nur die hohe Rate an Thrombosefällen hat dazu geführt, das sich diese Therapie gegen Milch nicht durchgesetzt hat. Die Dosis in den Tabletten war zwar höher als in heutigen Pillen, aber so manche Frau berichtet, das schon ein bis zwei Tage nach Beginn der Pilleneinnahme das Lütte unzufrieden wurde an der Brust.

Die WHO erteilt den Kombinationspillen eine klare Absage für die Stillzeit, als Verhütungsmittel MEC-Klasse III. Klasse drei heißt: nur anwenden, wenn nichts anderes verfügbar ist, die Frau das unbedingt will und ein weiteres Kind definitiv vermieden werden soll. Aber wir haben doch gute Alternativen: Kondome, Diaphragma & Caya, auch NFP ist möglich, wenn die Sonderregelugen für die Stillzeit beachtet werden. Wenn die Pause bis zum nächsten Kind länger werden soll: Kupferkette, -Ball und Spiralen… wozu Hormone, von denen zwar nur wenig in der Muttermilch landet, aber das Bisschen finde ich auch schon zu viel. 

Zum Bullshit-Bingo für das Stillen gehört auch der Satz: „künstliche Hormone gehen gar nicht in die Muttermilch über“. Es gibt genug Blödsinn, der Frauen über Ihren Körper erzählt wird „Deine Milch reicht bestimmt nicht aus!“ gehört für mich aber zu den Top-Ten der Zumutungen, die dann leider zum Missbrauch diverser Kannen an Milchbildungstee führen kann.

Weniger ist mehr kann auch für Heilpflanzentees gelten!

Ihnen einen gesunden Tag

Ihre Dr. Dorothee Struck

 

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Bildnachweis /Fotos: Dr. Dorothee Struck, Joachim Struck, Creative Commons oder gekauft bei Depositphotos

 

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