Hirtentäschel: Unterstützung nach Geburt & Fehlgeburt
von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)

Gerne übersehen, blüht das Hirtentäschel (Capsella Bursa pastoris) mit kleinen weißlichen Blüten am Wegesrand. Das Magerblümchen, wie es auch genannt wird, kommt genügsam selbst mit Schotter und Kies zu Recht. Es fordert keinen satten Mutterboden oder feuchten, fruchtbaren Humus, wie so viele andere Gewächse. Meine Reise durch die Heilpflanzen für Frauen beginnt mit einer unbesungenen Heldin, die auf vielerlei Weise nützlich ist, in den Umbruchphasen weiblichen Lebens: Pubertät, Wochenbett und Wechselzeit.
Oxytocin-ähnliche Inhaltsstoffe
Neben vielen anderen Wirkstoffen enthält das Hirtentäschel eine Eiweißverbindung, die dem menschlichen Hormon Oxytocin ähnlich ist. Oxytocin ist das Wehen-Hormon, das die Muskulatur der Gebärmutter dazu anregt, sich rhythmisch zusammen zu ziehen wenn ein Kind geboren werden will, nach der Geburt sorgt es mit den Nachwehen dafür, das sich die Gebärmutter wieder zurückbildet und hält den Wochenfluss im Zaum. Aber auch außerhalb der Geburt ist dies kleine Eiweißhormon aktiv, sowohl für den Orgasmus der Frau als auch als Bindungshormon, spielt es eine Rolle im Hormonorchester unseres Körpers. Diese zusammenziehende Wirkung von Capsella Bursa pastoris, der lateinische Name findet sich direkt übersetzt, kann auf mehreren Ebenen von Nutzen sein.
Zubereitung & Bewahrung – Hirtentäschel und die Kunst des Teekochens
Arbeiten wir mit Heilpflanzen, steht am Anfang immer die Frage: welche Pflanze, direkt gefolgt von der Überlegung, welche Zubereitung denn die geeignetste ist. Extrakt ist nicht gleich Extrakt! Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon in den Kursen für Ärzte und Apotheker ausgesprochen habe. In Norddeutschland lässt sich das Verständnis fast immer sofort wecken durch die Erwähnung von Ostfriesentee. Ob Sie Ihren Tee 2 Minuten ziehen lassen oder 5 Minuten, Geschmack und Wirkung könnten nicht unterschiedlicher sein. Das brauchen Sie an der Küste eigentlich nicht zu erwähnen. Die Erklärung, das erst die kleinen Moleküle wie das anregende Tein aus den Teeblättern ins kochend heiße Wasser hüpfen, bevor einige Minuten später gemächlich die großen behäbigen Gerbstoffe, wie das bittere Tannin den Weg finden, das ist nicht allen klar. Aber das der kurz gezogene Tee stärker anregt und weniger bitter ist als der, bei dem die Teeblätter lange in der Kanne verweilen durften, bevor durch ein Sieb abgegossen wurde, das weiß hier im Norden ja nun jeder. Outen sie sich in Gegenwart von ernsthaften Teetrinkern bitte niemals durch den Gebrauch eines Tee-Eis. Die Tochter meiner emsländischen Freundin hat so ein Banausenteil mit ganzen 2,5 Jahren schon als „Tee-Defängnis“ identifiziert. Wie sollten Aroma und Inhaltsstoffe denn aus den Blättern kommen, wenn sie sich im Knast nicht bewegen dürfen. Diesen Diskurs führe ich hier jetzt nicht weiter, obwohl ich ohne weiteres über das Thema Tee-Kochen stundenlang erzählen könnte, denn es geht heute um das Magerblümchen.
Korrekte Anwendung der Heilpflanze Hirtentäschel
Um die unscheinbare Schönheit vom Wegesrand in der Naturheilkunde gut einsetzen zu können, ist das Wissen darum, das die Art des Extraktes großen Einfluss auf die Wirkung hat, wichtig. Und ja, das Hirtentäschel ist als Teepflanze geeignet, aber es ist empfindlich, sobald es geerntet und fachgerecht getrocknet wurde. Eiweißverbindungen sind nicht so stabil wie andere Inhaltsstoffe von Pflanzen und der Inhaltsstoff, der dem Oxytocin so ähnelt und zusammenziehend auf die Gebärmutter wirkt, zerfällt schnell. Vor Allem wenn das Kraut nicht gut gelagert wird. Grundsätzlich sollten alle getrockneten Heilkräuter luftdicht und gut geschützt vor Feuchtigkeit und direktem Licht gelagert werden. Einige Pflanzen nehmen achtloses Betragen in dieser Hinsicht nicht sehr übel. Bei nicht ganz korrekter Aufbewahrung ist die Wirkung beim Hirtentäschel als Tee-Kraut nach 3 Monaten oft schon verpufft. Da die Wirkung etwas instabil ist, aber auch auf Grund des Geschmacks, den die Mehrzahl meiner Patientinnen unzumutbar finden, wird diese schöne Pflanze für Heiltees zumeist mit anderen Heilpflanzen gemischt. Aber auch als Fertigpräparat haben Extrakte aus dem Hirtentäschel ihre Berechtigung und je nach Herstellung des Extraktes können sie bei unterschiedlichen Bedürfnissen eingesetzt werden.
Rückbildungstee nach Kaiserschnitt und Fehlgeburt
Die Stoffliche Wirkung des Hirtentäschels ist vor allem zusammenziehend und blutstillend, wenn es um die Gebärmutter geht. Ein Rückbildungstee, der nach einer Kaiserschnitt-Geburt die Gebärmutter zu Nachwehen anregt, kann zum Beispiel aus
- 30 g Hirtentäschelkraut,
- 30g Schafgarbenkraut,
- 30g Frauenmantelkraut und
- 10g Ringelblumenblüten
bestehen. Schafgarbe ist blutungswidrig, nicht umsonst hieß es früher Blutkraut und Soldatenkraut, das ätherische Öl enthält mehr Azulen als die echte Kamille. Frauenmantel ist eine abdichtende Gerbstoffpflanze, plus Ringelblume für die Wundheilung. - Bevor sie sich zur Apotheke aufmachen, lesen Sie aber bitte die Hinweise unter dem Blog ;-) – Die gleiche Mischung verordne ich auch gerne, wenn ich eine Patientin leider zu einer Fehlgeburtsausräumung in die Klinik schicken muss. 14 Tage lang je 3 Tassen am Tag die zugedeckt 7 Minuten ziehen durften, helfen der Gebärmutter sich rasch wieder zurückzubilden. Und je schneller sie zusammenschnurrt, desto kleiner wird die Wunde, wo kurz zuvor noch der Mutterkuchen saß und damit mindert sich das Risiko für Infektionen. Die üblichen Hygieneregeln gelten natürlich immer noch, im Zweifel fragen Sie ihre Hebamme!
Starke Blutungen in den Wechseljahren – auch ein Fall für Hirtentäschel
Wenn in der Wechselzeit die Menstruation unregelmäßiger wird und nur noch selten, dafür aber mit Pauken und Fanfaren kommt, empfehle ich eher ein Fertigpräparat. Ein Tee ist dann oft schwierig, da Hirtentäschel so lagerungs-empfindlich ist und die Mens oft zu Zeiten und an Orten einsetzt, an denen es schwierig ist sich erstmal zum Teekochen zurückzuziehen oder eine Apotheke zu finden, die das Kraut bei Bedarf sofort über den Tresen schiebt. In den Apotheken gibt es Hirtentäschel-Extrakt, dem Vitamin K beigemischt ist, denn Vitamin K fördert die Blutgerinnung. Daher dürfen Frauen, die Probleme mit zu starker Blut-Gerinnung haben und blutverdünnende Medikamente einnehmen nur nach Rücksprache mit dem Hausarzt dieses Präparat einnehmen. Finger weg, wenn Ihr Arzt Ihnen vom reichlichen Verzehr von Spinat und anderem grünen Blattgemüse abgeraten hat, die zu den natürlichen Quellen von Vitamin K gehören, dann müssen Sie auch Fertigpräparate wie dieses, das Vitamin K enthält weiträumig meiden. Auch wenn dieses pflanzliche Präparat nicht so stark wirkt wie die synthetische Konkurrenz der Tranexamsäure, so hilft es doch so mancher Frau, den Blutverlust bei der Menstruation zu mindern und sich nicht so matt und schlapp dabei zu fühlen. Und eine Notfallration der Dragees findet in jeder Handtasche Platz, selbst wenn das Kochen eines Heiltees gerade unmöglich ist.
Erschöpfung nach Geburten, Fehlgeburten und im Wechsel
Eine ganz andere Wirkung hat die dynamisierte Urtinktur von Bursa Pastoris. Hier steht nicht so sehr der Blutverlust bei der Mens im Vordergrund sondern das Thema der Erschöpfung und des sich ausgelaugt-fühlens. Das Hirtentäschel hat im Plattdeutschen einen Spitznamen: De Taschenknieper! „Halt nicht ängstlich zu die Tasche, was nützt Dir Geld wenn Du zu Asche“, sagte der auf großem Fuß lebende Mensch zu seinem Nachbarn dem Geizhals. Der kneift seine Börse fest zu und überlegt sich gut, wofür er seine Euros und Cents hergeben will und wofür nicht. Genauso, wie das Hirtentäschel seine Samen sehr fest in den Täschchen behält, bis der rechte Zeitpunkt gekommen ist sie zu verstreuen, damit neue Pflanzen entstehen. Das Magerblümchen, das auch mit wenig Nahrung lange überdauern kann, tut gut daran mit seinen Energien und Schätzen hauszuhalten. Genau das hilft uns die Urtinktur zu lernen. Die Weisheit des Geizhalses oder der achtsame Umgang mit der eigenen Energie. Sich sammeln und bewahren nach anstrengenden Phasen und Schwangerschaften, seien sie gut ausgegangen oder nicht.
Erst die eigene Sauerstoff-Maske nehmen, dann anderen helfen
Frauen, die erschöpft sind, weil sie sich über Jahre immer für andere freigiebig verströmt haben, immer gerne und viel gegeben habe und nun merken das sie nicht mehr so kraftvoll sind, wie sie gerne wären. Die letzte Schwangerschaft hat sie zu viel Energie gekostet oder der Wechsel zieht Ihnen scheinbar den Boden unter den Füßen weg. Die Frauen, die Selbstfürsorge erst mühsam lernen müssen, da es lange einfach war, mit schmaler Kost in Sachen Seelennahrung über die Runden zu kommen, stellen fest, dass sie Pausen brauchen, Zeit für sich, nicht mehr immer nur für andere geben können und das ihre Ressourcen nicht unerschöpflich sind. Das Hirtentäschel als dynamisierte Urtinktur wirkt weniger im körperlichen Bereich, denn im seelischen. Nicht alleine, aber es kann unterstützen bei dem Bewusstseins-Prozess, sich neu zu orientieren und Prioritäten zu setzen. Wo möchte ich meine Kräfte hineingeben, was lohnt sich und wo kann ich guten Gewissens das Portemonnaie meiner Zeit und Energie fest geschlossen halten? Wenn Sie nicht glauben, dass das Hirtentäschel sich darauf versteht, versuchen Sie im nächsten Frühjahr einmal, die Samenkapseln aufzugnibbeln… hier versteht sich jemand darauf, erst dann in Geberlaune zu kommen, wenn die Zeit dafür reif ist.
Ihnen einen wunderbaren Herbst
Ihre Dr. Dorothee Struck
Auf Grund des Heilmittel-Werbe-Gesetzes geben wir hier keine konkreten Empfehlungen für Präparate und Dosierungen, bitte fragen Sie in Ihrer Arztpraxis oder Apotheke. Dosierungs-Anleitungen und konkrete Teerezepte bekommen Sie daher nur, wenn Sie Patientin bei uns in der Praxis sind. Oder als Kollegin über Fachfortbildungen.
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Bildnachweis /Fotos: Dr. Dorothee Struck, Joachim Struck, Creative Commons oder gekauft bei Depositphotos
Bild: Fotalia 13845222 -Tee Hirtentäschel - tea shepherds purse 02 © LianeM