Gebärmutter-Polypen oder Wertschätzung des Älterwerdens
von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)
Harmlose Fundsachen in der Lebensmitte

Die jährliche Früherkennung bei der Frauenärztin ist mehr als nur die Suche nach Dingen, die bösartig werden können. Ja, wir fahnden nach Vorstufen von Muttermundskrebs und frühem Brustkrebs. Ab der Lebensmitte auch nach Darmkrebs, wenn die Patientin nicht gerade angibt, sie wäre bei der Darmspiegelung gewesen. Kurz gesagt, sie wäre in den letzten Jahren zur “großen Hafenrundfahrt” gegangen. Oder der Hausarzt hätte den Enddarm gerade ausgetastet. Letzteres heißt bei uns die “kleine Hafenrundfahrt” und wird von vielen Kollegen gerne der Gynäkologin überlassen. Wir haben die Patientinnen schon ausgezogen vor uns auf dem Stuhl und sind eh in der Nachbarschaft, sprich Vagina, unterwegs. Warum der Enddarm? Auch wenn der Darm mehrere Meter lang ist, tatsächlich sitzen viele, von den Polypen, die entarten können, in den unteren 6-10 cm des Darmes kurz vor dem Ausgang. Mit dem Finger sind sie gut zu erreichen; wenn wir einen Böppel an der Darmwand finden, muss dem nachgegangen werden. Die meisten Darmkrebse entstehen langsam über Monate und Jahre aus Dickdarmpolypen. Für diese Biester gilt es auf gut Norddeutsch: „Rut mit Schiet!“, ein Fall für die Kollegen mit Endoskop und operativem Instrumentarium.
Darm und Muttermund sind unterschiedlich! Ach!
Was soll denn diese Aussage. Natürlich ist frau auch ohne absolviertes Medizinstudium klar, das verschiedene Körperteile unterschiedliche Funktionen und Aufgaben haben, verschieden aussehen. Aber das sich die Dinge, die so ab der Lebensmitte entstehen auch vom Verhalten verschieden sein soll, ist nicht jeder klar und das kann Angst machen. Bei Frauen ab 40, manchmal aber auch schon deutlich früher, sehen wir kleine Polypen, die aus dem Muttermund herausragen. Klein wie ein Stecknadelkopf manchmal aber auch wie eine Pferdebohne. Im Gegensatz zu den Kollegen in der hinteren Körperöffnung, entarten Polypen am Muttermund so gut wie nie. Sie sind extrem selten ein Grund, hektisch die nächste Klinik aufzusuchen. Wir erklären unseren Patientinnen die Fundsache, denn der einzige Ärger, den Muttermunds-Polypen regelmäßig verursachen, sind Kontaktblutungen. Stößt der Partner beim Geschlechtsverkehr gegen den weichen Schleimhautpolypen, kann es zu Schmierblutungen kommen. Muss aber nicht; das ist abhängig von der Größe bestimmter männlicher Körperteile, der Position des Muttermundes und der Stellung beim Sex. Manche Frauen haben niemals eine Kontakt-Blutung, obwohl sie jahrelang den Polypen mit sich herumtragen. Sind sie aber vorgewarnt, dass dies passieren kann, gibt es keinen Stress, wenn frau nach dem Geschlechtsverkehr etwas blutet.
Polypen ohne Kinderwunsch - dürfen bleiben - bei Kinderwunsch eher nicht
Polypen in der Gebärmutter sind manchmal auch ein Hinderungsgrund bei unerfülltem Kinderwunsch. Bei diesen sage ich eher: Die dürfen gehen! Mit einer Gebärmutterspiegelung geht das fast immer ambulant ohne Krankenhausaufenthalt. Es gibt natürlich auch Polypen, die uns nicht schon aus dem Muttermund heraus angucken, diese finden wir aber beim Ultraschall. Am Ende des Zyklus, wenn die Gebärmutterschleimhaut hoch aufgebaut ist, ist es manchmal nicht ganz klar zu erkennen, ist das nun ein Polyp oder nicht. Aber da die Polypen nicht einfach mit der Menstruation herausfallen, bestelle ich meine Patientin einfach direkt wieder ein nachdem sie abgeblutet hat. Ist das Endometrium schmal, dann lässt es sich immer sehr klar sehen, ob es sich um einen Polypen handelt, spätestens im 3-D-Ultraschall der Gebärmutter. Da ähnlich wie tiefe Septen, Bindegewebige Trennwände der Gebärmutter, die es als anatomische Normvariante gibt, ein Polyp beim Schwanger-werden und -bleiben stören kann, sollte der Polyp in diesem Fall entfernt werden.
Können Sie das nicht mit Heilpflanzen wegmachen?
Nein, ich kenne kein pflanzliches oder naturheilkundliches Mittel, das die an sich harmlosen Polypen entfernt. Da hilft nur eine kleine, ambulante Operation, wenn das Ding unbedingt weg soll, zum Beispiel weil es durch häufige Schmierblutungen unangenehm auffällt. Aber müssen wir alles wegschneiden nur weil ein Körperteil nicht mehr original wie mit 20 Jahren aussieht? Bei Darmpolypen und ihrem Entartungsrisiko keine Frage, aber einen Muttermunds Polypen, den ich Jahr um Jahr bei der Vorsorge begutachtete, der beim Früherkennungs-Abstrich nicht stört. Unser Körper verändert sich im Leben, wie Leberflecken auf der Haut, so kann auch die Gebärmutter mit kleinen Polypen oder Myomen eine individuellere Form annehmen, wenn wir älter werden. Ich lasse doch auch nicht jeden Leberfleck herausschneiden, solange er nicht verdächtig aussieht. Bei mehr als 12 Monaten unerfülltem Kinderwunsch spreche ich allerdings anders.
Ich, eine Matrone?
Im gynäkologischen Sprachgebrauch werden diese Böppel oft als Matronen-Polypen bezeichnet. Wenn ich das sage, sind die Patientinnen meist entsetzt. Matronenhaft, das ist fast ein Schimpfwort, das für viele Frauen Bilder von altbackene Dauerwellen und Übergewicht hervorruft. Wissen Sie denn nicht, dass im alten Rom „Matrone“ ein Ehrentitel war? Die Bürgerin von Lebenserfahrung und Stand deren Meinung etwas galt, auf die gehört wurde. Den jungen Frauen wurde verständige Rede zumeist abgesprochen: die jungen Dinger die haben doch nur die neueste Frisuren- oder Toga-Mode im Kopf, oder? Hallo Vorurteile, das mit der Lebenserfahrung lasse ich gelten, und das Interesse an Mode lasse ich mir auch mit 50+ nicht nehmen!
Sehen Sie kleine Veränderungen an ihrem Körper mit freundlichen Augen, sie gehören zum Leben dazu. Manche Form-Änderungen der Gebärmutter, wie Myome, werden ein paar Jahre nach der letzten Regelblutung sogar wieder kleiner. So manche Fundsache bei einer Früherkennung-Untersuchung, ist glücklicherweise kein Grund zur Aufregung. Wenn ein Befund es lohnt, sich aufzuregen dann sagen wir es Ihnen schon! Tragen Sie ihren Matronen-Polypen mit Fassung und dem guten Gefühl, das Sie Ihre Meinung jetzt gewichtiger darlegen sollten, als Frau von Lebenserfahrung und Stand!
Wir wünschen Ihnen einen schönen Frühsommer
Ihre Dr. Dorothee Struck und das Praxisteam
Wenn Sie keinen neuen Blog-Eintragoder FrauenKlasse (Online-Kurs) verpassen möchten, melden Sie sich bitte für unseren Newsletter an.
Anmeldung zum Newsletter - wir geben Adressen nicht weiter!
An die Ästethik einer Seeanemone kommen unsere Polypen dann aber doch nicht ran ;-)
________________________________
Disclaimer:
Die Beiträge dieses Blogs dienen der allgemeinen Information über gesundheitliche Themen. Sie können und sollen in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen. Sie sollten daher die hier bereitgestellten Informationen niemals als alleinige Quelle für gesundheitsbezogene Entscheidungen verwenden und sie dürfen nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Zur eigenverantwortlichen Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen finden Sie hier Informationen zu Teemischungen und Produkten, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Es entbindet sich nicht von der Pflicht, die Beipackzettel zu studieren und ggf. Rat von Ihrer Ärztin oder Apothekerin einzuholen. Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall ärztlichen Rat einholen. Die Inhalte erheben weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch kann die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden.
Es sind eventuell in diesem Blogbeitrag Präparate- und Produktnamen genannt; dabei wurden Warennamen nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises (Warennamen) kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Die genannten Produkte stammen aus der Erfahrung in meiner Praxis und ich beziehe kein Geld von den betreffenden Pharmafirmen für die Nennung.