Die Kunst des Teekochens - Aschenputtel ist die Gute!

von Dr Dorothee Struck (Kommentare: 0)

Von Tee-Gefängnissen und andere Strafanstalten

So ist es richtig! Teekochen ist eine Kunst

Vor einigen Wochen bat mich eine Freundin, eine Website zu begutachten, die Heilkräutertees speziell für Frauen anbietet. Das wäre doch eine tolle Idee! Eine Ihrer Ansicht nach professionell und sehr stylish aufgemachte Website, aber bevor sie für ihr Gründerinnen-Magazin einen Artikel darüber schreibt, hätte sie gerne noch den Kommentar einer Fachfrau. OK, aber ich werde nicht ins Detail alles überprüfen, ich habe nur Zeit für Stichproben, schrieb ich zurück. Und mailte knapp 20 Minuten später einen bösen Verriss, den ich so nicht wiederholen werde.

 

Schau genau hin

Das eine wirklich professionell gemachte Website innerhalb von 2 Minuten bei mir durchfällt, hätte ich nicht gedacht. Gleich vorne, das Angebot für die kalte Jahreszeit: der Tee gegen Blasenentzündungen. Macht ja Sinn, es ist auch nach Ostern noch schweine-kalt diese Jahr… der Tee enthält Goldrute, nur leider keinen Hinweis darauf, welche Goldrute denn. Es gibt 3 Arten: die teure, kleine, echte Goldrute (Solidago virgaurea), die wirklich bei Blasenentzündungen hilft, die entzündungshemmend und krampflösend ist. Und dann gibt es noch die beiden großen, weit verbreiteten, aber leider für diesen Zweck wirkungslosen Schwestern: die kanadische und die große Goldrute (Solidago canadensis L. und gigantea), die die Menge des Primärharns vermehren aber auch nicht viel mehr können. Das bedeutet, dass die beiden die Durchspülung der Harnwege verbessern und damit gut geeignet sind, Nierensteinen und Blasengrieß vorzubeugen. Der Urin wird nicht so konzentriert ausgeschieden wird. Ist frau aber nicht "steinreich" im negativen Sinne sondern von Entzündungen geplagt, ist das nicht hilfreich. Sind erstmal Bakterien in der Blase, bringen diese beiden Goldruten-Arten es so gar nicht. Da sind es dann die großen Schwestern des Aschenputtels, denen der Schuh nicht passt. Mit viel rumklicken auf der Seite, war zu keiner Pflanze ein botanischer Name zu finden. Schade eigentlich! Echte Goldrute ist teuer, manchmal schwer in arzneilicher Qualität zu beschaffen, ein Schuft, wer jetzt Schlechtes denkt. Ich hoffe nur sehr, dahinter steckt keine bösartige Gewinnsucht auf dem Rücken kranker Frauen, sondern nur basale Unkenntnis der Heilpflanzen. Aber einen wirkungsvollen Heiltee vermute ich als Profi nicht, wenn mir keiner sagt, welche Pflanze nun eigentlich in dem Tütchen ist.

 

Schick fürs Foto und doch falsch

Womit die drei Betreiberinnen dieser Website nicht alleine dastehen. Selbst eine Pharmafirma hat sich vor einer Zeit ein Ei in diesem Bereich gelegt: die Anzeige in der Gyn-Depesche hat sicher einiges gekostet. Die Werbung gibt an, es sei ein reiner Extrakt aus echter Goldrute, das Präparat selber ist korrekt botanisch eindeutig deklariert mit Auszugsmittel und Droge-Extrakt-Verhältnis, wie es sich für ein gutes Phytopharmakon (Arzneimittel aus Heilpflanzen) gehört, nur leider liegt auf dem Werbefoto eine kanadische Goldrute photogen drapiert vor der Packung. Womit wir wieder bei den im Märchen mit schönen Kleidern aufgehübschten großen Schwestern wären. Die echte Goldrute ist nicht so fotogen, jedenfalls nicht von Weitem, das Aschenputtel der Familie halt. Weniger Blüten, nicht dieses üppige Gelb der Rispe, also ich kann den Webefuzzi schon verstehen, der sich nicht mit einem Makroobjektiv auf die Suche nach der feinen Schönheit der echten Goldrute begibt. Mal schnell eben etwas Schickes erstellen, ist einfacher als saubere Phytotherapie. Für die Kollegen, die sich mit Heilpflanzen beschäftigen allerdings nicht gerade ein vertrauensbildender Moment. Ich habe die Pharmareferentin auf diese Anzeige angesprochen: Upps, das war noch gar nicht aufgefallen…

 

Nicht alles passt zusammen

Weiter mit der Website: der schlechte Eindruck verhärtete sich auch beim „Anti-Depressionstee für die Wechseljahre“, nun, der hatte zwar einen blumigeren Namen, aber immerhin Johanniskrautblüten drin. Welches Johanniskaut? Wieder Fehlanzeige! Wer weiß schon, das wir 11 einheimische Arten haben, aber nur eine Art, das getüpfelte Johanniskraut (Hypericum perforatum), enthält tatsächlich auch die entscheidenden Wirkstoffe wie Hypericin, die die Stimmung aufhellen und Licht ins Dunkel der Seele bringen. Nun, und dieser Tee, der unter anderem auch den Wurzelstock der Traubensilberkerze enthielt, sollte 10 Minuten ziehen. Also ich habe gelernt, das Hypericin und Hyperforin temperaturempfindlich sind und dass ein fachlich korrekt zubereiteter Tee aus Johanniskraut nach spätestens 4, allerspätestens 5 Minuten in eine neue kalte Tasse oder Kanne abgegossen werden muss, damit die Temperatur abgesenkt wird und die Wirkstoffe erhalten bleiben. Derbe Teebestandteile wie Wurzeln, Rindenstücke und Samen müssen lange ziehen (mindestens 10 Minuten), so leicht geben sie ihre Wirkstoffe nicht her, im Zweifel wird daraus ein Dekokt hergestellt. Also eine Abkochung auf dem Herd mit kleiner Flamme, der Tod temperatur-empfindlicher Stoffe wie Hypericin. Also eine Mischung, die als Tee nicht wirklich funktionieren kann. Abgesehen davon sind viele Inhaltsstoffe des Traubensilberkerzen-Wurzelstocks fettlöslich und bedürfen eines anderen Lösungsmittels als heißes Wasser um aus den harten Wurzelstückchen herausgelöst zu werden…. Dumm gelaufen! Tolle Pflanze für bestimmte Wechselprobleme, vor allem Durchschlafstörungen, aber nicht als Tee-Zubereitung. Solche Oberflächlichkeit bringt der Heilpflanzentherapie einen schlechten Ruf ein!

 

"Nein, dieses Kind gehört nicht zu mir…."

Das, was mich an der Website der hippen Gründerinnen aber am meisten genervt hat, war der Versuch, mir auf jeder Seite ein Teeglas mit integriertem Tee-Ei anzudrehen. Ein Mikro-Behälter durch den das heiße Wasser gegossen werden soll, der sah super designt aus, fällt aber auch durch. Bei Friesen und Emsländern weiß schon der Nachwuchs: Tee braucht Platz um sich zu entfalten, die Blätter müssen sich im Wasser bewegen können um Aroma- und Wirkstoffe abzugeben. Anna hat sich mit schon 4 Jahren bei einem Besuch in Hannover unbeliebt gemacht. Erst in der Küche bei Anblick eines Tee-Eis der Ausruf: „Mamma, guck mal, ein Tee-Gefängnis!“ Und später in der Stube beim Anblick eines Laufstalls: „Guck mal, hier gibt es ein Kinder-Gefängnis!

Die Website hat von mir keinen erhobenen Daumen bekommen und es ist der Anlass, Webinare zum richtigen Umgang mit Heilpflanzen zu halten. Wenn Sie wissen wollen, wann es wieder so weit ist: Die Termine werden über unseren Newsletter bekannt gegeben. Dann erkläre ich an den Beispielen eines Menschmerztees, eines Tees gegen abendliches Herzklabastern in den Wechseljahren und am Beispiel eines Rückbildungstees nach Fehlgeburten, wie es richtig gemacht wird, damit der Tee auch wirklich hilft.

 

Praktisches zum Schluss!

Basis-Grundlagen der Heilpflanzen-Therapie

  1. Botanisch eindeutig definierte Pflanzen verwenden und nur von Anbietern kaufen, die garantieren können, dass genau die richtige Heilpflanze, der richtige Pflanzenteil (für die betreffende Erkrankung) und das in einer Art, das die Wirkstoffe nicht vorzeitig verfliegen oder abgebaut werden, über den Tresen gehen. In erster Linie sind das die Apotheken, die mit den Vorschriften des deutschen Arzneimittelbuches (DAB) sehr klare und gute Qualitäts-Vorgaben für Heilpflanzen haben. Es gibt natürlich auch andere Bezugsquellen wie den Fachhandel, bei dem Sie Beratung bekommen oder Menschen, die Heilpflanzen selber anbauen… wenn Ihnen jemand aber nicht den botanischen Vor- und Nachnamen einer Pflanze nennen kann, tragen Sie bitte Ihr Geld woanders hin.
  2. Heilkräuter-Tee immer zugedeckt ziehen lassen, damit die ätherischen Öle nicht verdunsten. Sonst riecht es gut in der Küche, die flüchtigen Aromastoffe sind aber verduftet und nicht mehr in Ihrem Tee.
  3. Dem Tee Raum geben: entweder in einem großen Teesieb oder frei schwimmen lassen und durch ein Sieb abgießen. Wenn Ihnen jemand ein Tee-Ei oder einen Tea-Stick mit winzigen Löchern anbiete, der dann auch noch frei in einem offenen Teeglas stehen soll, nehmen Sie die Beine in die Hand. Außer, Sie möchten einen reinen „Genuss-Tee“ trinken, wie Roibusch-Vanille-Rhabarber-Sahne, das ist dann aber keine Heilpflanzentherapie und bei so einem Gesöff nehme ich die Beine in die Hand!

 

Ihnen einen gesunden Tag

Ihre Dr. Dorothee Struck

Solidago Canadeisis - sehr schön aber nicht sehr heilkräftig! 

 

Auf Grund des Heilmittel-Werbe-Gesetzes geben wir hier keine konkreten Empfehlungen für Präparate und Dosierungen, bitte fragen Sie in Ihrer Arztpraxis oder Apotheke. Dosierungs-Anleitungen und konkrete Teerezepte bekommen Sie daher nur, wenn Sie Patientin bei uns in der Praxis sind. Oder als Kollegin über Fachfortbildungen.

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Disclaimer:

Die Beiträge dieses Blogs dienen der allgemeinen Information über gesundheitliche Themen. Sie können und sollen in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen. Sie sollten daher die hier bereitgestellten Informationen niemals als alleinige Quelle für gesundheits-bezogene Entscheidungen verwenden und sie dürfen nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Zur eigenverantwortlichen Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen finden  Sie hier Informationen zu Teemischungen und Produkten, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Es entbindet sich nicht von der Pflicht, die Beipackzettel zu studieren und ggf. Rat von Ihrer Ärztin oder Apothekerin einzuholen. Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall ärztlichen Rat einholen. Die Inhalte erheben weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch kann die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden.

Bildnachweis /Fotos: Dr. Dorothee Struck, Joachim Struck, Creative Commons oder gekauft bei Depositphotos

 

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