Das Einmaleins des Stillens
von Claudia Jessen (Kommentare: 0)
Betriebsblindheit

Ich habe in einem früheren Blogartikel über den vorzeitigen und überreichlichen Konsum von Milchbildungstee aufgeregt, da zu viel und zu früh davon einen Milchstau fördern kann. Finnja Kreft, unsere Hebamme sagte daraufhin weise: „Ja, aber schau doch mal woher das kommt. Du hast jahrelang in der Geburtshilfe gearbeitet, weißt das Frauenkörper das sehr wohl leisten können, ein Kind satt und zufrieden zu bekommen, aber leider wissen das nicht alle Frauen.“ Woher auch, wir leben nicht mehr in Großfamilien, wo es das Selbstverständlichste von der Welt ist, dass immer mindestens eine Frau ein Baby stillt und kleine Mädchen schon das Vertrauen entwickeln, dafür später auch Kompetenz zu haben.
Daher habe ich Finnja Kreft, gebeten die Grundlagen für gelungenes Stillen einmal aufzuschreiben, denn im Zweifel: fragen Sie eine Hebamme.
Auf junge Mütter prasseln so viele gut gemeinte aber widersprüchliche Ratschläge ein, dass ich früher mehrfach versucht war in den Rückbildungstee auf der Wöchnerinnenstation die Bachblüte Cerato (Bleiwurz) zu geben, die verhindert, dass frau sich von den Meinungen anderer völlig fusselig machen lässt sondern erkennt, dass sie sich selber trauen kann.
Und nun übergebe ich den Stift an Finnja vom Möwennest:
Kleines Still-Einmaleins von Finnja Kreft
Zweifelsohne ist Muttermilch die beste Säuglingsnahrung, die die Welt zu bieten hat. Da können auch noch so ausgeklügelte Mischungen der Lebensmittelindustrie nicht mithalten. Sie ist praktisch, bildet sich wie durch Zauberhand immer neu, ist perfekt temperiert und enthält die ideale Nährstoffkombination für Ihr Baby. Die Wirkung des Stillens selbst geht dabei weit über die Befriedigung kalorischer Bedürfnisse hinaus: Stillen beruhigt und stärkt die Mutter-Kind-Bindung.
Darüber hinaus ist Stillen im Grunde ganz einfach. Sie brauchen weder einen Kurs noch einen Stillratgeber dafür. Wenn es anders wäre, wäre die Menschheit wohl schon längsausgestorben. Dennoch gibt es ein paar Tricks und Kniffe, mit denen Sie sich und Ihrem Kind das Stillen angenehmer gestalten können.
Selbstfürsorge
- Sorgen Sie vor dem Anlegen für eine ruhige Umgebung.
- Lassen Sie sich verwöhnen. Sorgen Sie dafür, dass alles in Reichweite ist, was Sie zum Stillen und für Ihr Wohlbefinden benötigen, vor allem Trinken.
Stillposition
- Nehmen Sie eine entspannte Stillposition ein, um Verkrampfungen zu vermeiden. Die einfache Grundregel für eine entspannte Stillposition lautet: „Kind zur Brust, nicht Brust zum Kind“.
- Ein Positionswechsel fördert die optimale Entleerung der Brust. Zur Auswahl stehen z.B. der „Rückengriff“, bei dem Sie das Kind mit dem Unterarm am Rücken halten und mit der Hand das Köpfchen stützen, der „Wiegegriff“, bei dem Sie das vor Ihrem Bauch liegende Baby im Sitzen stillen und das Stillen im Liegen in bequemer Seitenlage.
Korrektes Anlegen
- Hier gilt die Faustregel: „So viel Warzenvorhof wie möglich im Mund“.
- Beim effektiven Saugen sieht man kräftige Kieferbewegungen.
- Es sollte kein dauerhafter Schmerz in der Brust auftreten.
- Schmatzen und Nuckeln sollte vermieden werden.
- Lösen Sie beim „Abdocken“ das Vakuum mit Hilfe Ihres kleinen Fingers, um wunde Brustwarzen zu verhindern.
Dauer und Häufigkeit
- Legen Sie Ihr Kind alle 3-4 Stunden für etwa 15 Minuten auf jeder Seite an. So wird die wertvolle Vormilch gefüttert und die weitere Milchproduktion optimal angeregt. Ihr Kind erhält dann die fettreiche Hintermilch.
- Nachts zwischen 2 und 5 Uhr anlegen, da dann die Milchproduktion besonders effektiv ist.
Ausscheidung
- Farbe und Konsistenz verändern sich mit der Zeit (vom schwarz-grünen, eher klebrigem Mekonium/Kindspech zum meist goldgelben, weichen bis flüssigen Muttermilchstuhl)
- 6–8 nasse Windel sind normal. Der Urin sollte klar sein.
Brustpflege
- Muttermilch fördert die Wundheilung. Bei wunden Brustwarzen einfach die Muttermilch auf der Brustwarze trocknen lassen.
- Verwenden Sie Stilleinlagen. Wichtig ist zudem ein gut sitzender Still-BH ohne Bügel.
Stillen ist kein Kunststück – Ihre Kompetenz im Bereich Stillen
Immer wieder berichten mir Frauen von Ihren Ängsten und Zweifeln rund ums Stillen. Die Erfahrung zeigt aber, dass das Stillen – bei Bedarf mit etwas Unterstützung der Hebamme – in den meisten Fällen prima klappt. Denken Sie daran, was Sie bereits erreicht haben: Ihr Körper hat eine kostbare Eizelle gebildet, der befruchteten Zelle ein kuscheliges, nährendes Nest bereitet und den Fötus dort monatelang geherbergt und reifen lassen. Im Vergleich dazu ist Stillen eine Kleinigkeit. Sie haben also Grund genug, an Ihre Stillkompetenz zu glauben. Und falls doch einmal Zweifel aufkommen, halten Sie sich einfach vor Augen, was Sie schon alles über Stillen wissen:
Ich weiß,
- dass ich ausreichend trinken (essen) sollte
- dass es verschiedene Stillpositionen gibt, dass dadurch verschiedene Bereiche der Brust entleert werden und die Brustwarze unterschiedlich belastet wird
- dass wunde Brustwarzen, Milchstau und andere Probleme durch richtiges Anlegen verringert werden
- dass Stillen nicht dauerhaft schmerzen sollte
- wann mein Baby gestillt werden sollte und erkenne die Hungerzeichen
- dass mein Baby alle 3–4 Stunden gestillt werden sollte (auch nachts hat mein Baby Hunger)
- dass mein Baby pro Mahlzeit, pro Brust ca. 15-20 Minuten trinken sollte (kurze Trinkpausen sind erlaubt)
- dass es empfehlenswert ist, 6 Monate ausschließlich zu Stillen und darüber hinaus begleitend zur Beikost
- wie ich mein Baby zum Trinken animiere, auch wenn es schläft
- dass der Urin (Stuhl) in der Windel mir zeigt, dass mein Baby genug Nahrung zu sich nimmt (ca. 6–8 nasse Windeln pro Tag)
- dass Haut-zu-Haut-Kontakt zu meinem Baby, die Mutter-Kind-Bindung stärkt und zusätzlich die Rückbildung fördert
- dass ich immer auf meine Brust Acht geben muss und Stilleinlagen verwenden sollte
- über die verschiedenen Möglichkeiten der Brustwarzenpflege Bescheid.
Es gibt also viele gute Gründe, warum Sie Ihrer Still-Kompetenz voll und ganz vertrauen können!
Viel Freude beim Stillen wünscht Ihnen
Ihre Finnja Kreft
Dosierungs-Anleitungen und die konkreten Teerezepte bekommen Sie entweder in der Praxis, wenn wir die entsprechenden Heilpflanzen verordnen, im Newsletter oder in meinen Webinaren.
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